Der Turn- und Sportverein von 1933 - 1945

Quelle: Festschrift "100 Jahre Turn- und Sportgemeinschaft 1888 Nieder-Erlenbach"

In der Anfangszeit des Nationalsozialismus

Am Tag der „Machtergreifung" hatte der TSV folgenden Vorstand:

1. Vorsitzender: Joh. Nik. Michel

2. Vorsitzender: Michael Reichard

1. Kassierer: Wilhelm Baumart

2. Kassierer: Heinrich Michel

1. Schriftführer: Oskar Rüppel

2. Schriftführer:Karl Jann

1. Turnwart: Philipp Spengler

2. Tumwart: Philipp Leonhard

Spielwart: Willi Michel

Sportwart: Wilhelm Pfeffer

Zeugwart: Adolf Odemer

Beisitzende: Georg Kötter, Fritz Himmelreich, Minna Wörner

Kassenprüfer: Wilhelm Schüler, Fritz Schwander

Aus dem Protokoll der Vorstandssitzung vom 24. Januar 1933 ist zu entnehmen, daß die General-versammlung am 12. Februar stattfinden sollte. Sie fand an diesem Termin nicht statt. Der Grund dafür ist wohl in den politischen Ereignissen zu suchen, die mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten verbunden waren. Die Generalversammlung fand erst am 19. März statt. Das langjährige Mitglied Wilhelm Baumart schied aus dem Vorstand aus, und so „sah sich Philipp Spengler veranlaßt, ihm für die langjährige Tätigkeit im Verein zu danken, was in einer Aussprache und in einem zum Schluß der Versammlung dargebrachten dreifachen ‚Gut-Heil' seinen Ausdruck fand." Neu in den Vorstand gewählt wurden Lehrer Bolz (1. Kassierer), Lehrer Zutt (Spielwart), Wilhelm Brück­mann (2. Schriftführer), Gustav Steffan (Sportwart) und die Beisitzer Fritz Schwander und Philipp Lampert. Äußerlich sind bei dieser Generalversammlung noch keine Anzeichen für die veränderte politische Lage zu erkennen, denn „zum Schluße sang man das Turnerlied ‚Turner auf zum Streite' worauf die Versammlung um 12 Uhr ihr Ende fand."

Bereits neun Tage später jedoch wurden erste politische Tendenzen spürbar, denn in der ersten Vorstands-sitzung am 28. März wurde „auf Antrag von Spielwart Zutt dem Sportverein 06 mitgeteilt, daß eine Benutzung des Sportplatzes ab 1. April nicht mehr zu erfolgen hat." Hier wird deutlich, daß dem politisch anders orientier­ten Sportverein 06, der zu diesem Zeitpunkt noch existierte, ein Sport- und Spielbetrieb unmöglich gemacht werden sollte. Auf Beschluß der Vorstands-sitzung am 15. Mai wurde „dem ehemaligen Sportverein 06 eine Rechnung über M 100,- gesandt, als 50 % Anteil zur Bahninstandsetzung auf dem Sportplatz im Juli 1931."

Zu werten ist dieser Vorgang als ein Versuch, aus der Vermögensmasse des inzwischen aufgelösten Sportvereins 06 noch einen Anteil zu erhalten. Wie rigoros die Nationalsozialisten ihre Machtposition bereits Anfang 1933 zu stärken versuchten, geht ebenfalls aus dem Protokoll der Vorstandssitzung vom 15. Mai 1933 hervor: Punkt 1 der Tagesordnung war die „Gleichschaltung." Im Zuge dieser „Maßnahmen" wurde in dieser Vorstandssitzung Joh. Nik. Michel zum Vereinsführer bestimmt.

Formell wurde die Gleichschaltung dann in der darauf­folgenden Mitgliederversammlung vom 21. Mai vollzogen: „Nach Eröffnung durch den Vereinsführer, Joh. Nik. Michel, ergriff der 1. Kassenwart, Turnfreund Lehrer Bolz, das Wort und legte in einer längeren Ausführung den Sinn und Zweck der Gleichschaltung dar. Am Schlusse seiner Ausführungen forderte er die Mitglieder auf, durch Erheben von den Plätzen die vom Vorstand erfolgte Wahl des Vereinsführers Joh. Nik. Michel zu bestätigen." Der Vereinsführer ernannte in dieser Versammlung sodann seine Fachwarte „und diese wieder ihre Mitarbeiter, welche sich in ihrer Gesamtheit aus dem seitherigen Vorstand zusammensetzen, so daß eine Veränderung im Vorstand nicht eingetreten ist."

Da man neue Mitglieder aus dem aufgelösten Sportver­ein 06 erwartete, wurden Übertrittsformulare nach Vor­schrift der DT (Deutsche Turnerschaft) hergestellt. Auch der Schluß der Versammlung hat sich gegenüber der Ge­neralversammlung vom März geändert, wie das folgende Zitat aus dem Protokoll belegt: „Nach Absingen des Tur­nerliedes, des Deutschlandliedes sowie des Horst-Wessel­Liedes fand die Versammlung ihr Ende."

Die Gleichschaltung betraf alle Vereine des Deutschen Reiches. Die Maßnahmen mußten bis zum 1. Juni 1933 abgeschlossen sein. Von den insgesamt 17 Punkten, die durchzuführen waren, seien einige besonders einschneidende herausgestellt. Erstens, die vollkommene Arisierung der Vereine! Alle Juden wurden ohne Begründung aus den Vereinen ausgeschlossen. Punkt 13 der Anordnung sagt dies noch deutlicher: Deutscharische Reinheit wird bis in die dritte Generation verlangt. Ausgeschlossen wurden ebenso Personen, die mit Juden verwandt waren (jüdisch versippte"). Die Anordnungen von Punkt 14 und 16 liegen – wenn auch politisch motiviert – auf der gleichen Linie: „Aktive Marxisten sind sofort auszuschließen" und „politisch untragbare Turner werden ihrer Ämter enthoben."

 

 

Nach nur vier Monaten nationalsozialistischer Herrschaft war die kompromißlos „Säuberung" der Vereine von allen Nichtariern und Andersdenkenden vollzogen. Der Hinweis auf Anlage 2 bei Punkt 14 (frühere Marxisten) kann nur so verstanden werden, daß man ehemali­gen Mitgliedern linksgerichteter Parteien und Orga­nisationen die Möglichkeit einräumte, ihren politischen Ansichten „abzuschwören" und sich schriftlich dem na­tionalsozialistischen Gedankengut zu „verschreiben." Im Falle des TSV wären wohl alle ehemaligen Mitglieder des Sportvereins 06 unter diese Klausel gefallen. Aus den Un­terlagen des TSV geht nicht hervor, ob die genannten Maßnahmen angewandt werden mußten. Die dritte einschneidende Maßnahme war die Umstel­lung der Vereine auf das Führerprinzip. Welche Voraussetzungen ein Vereinsführer haben mußte, geht aus den beiden folgenden Zitaten recht drastisch hervor: „Als Führer kommen nur Turner in Frage, die ...nationalsozia­listisch denken und handeln" und . . .„die Führereigen­schaften besitzen, d. h., sich durchsetzen können, wenn es nötig ist, rücksichtslos" (Punkt 4).

Umstellung auf das Führerprinzip bedeutete demnach nicht nur eine Entdernokratisierung der Vereine und eine Straffung der Vereinsführung, sondern eine Politisierung der Vereine im Sinne des Nationalsozialis-mus. Das Fal­lenlassen demokratischer Grundsätze bei der Wahl eines Vereinsvorstandes wird bei den Punkten 8 und 9 deutlich: Die „Wahl" des Vereinsführers „wird durch Aufstehen von den Plätzen vorgenommen" und weiter, der Führer „setzt den parlamentarischen Grundsatz außer Kraft, Abstimmungen gibt es dann nicht mehr."

Man muß sich einmal vorstellen, bei der „Wahl" des Vereinsführers des TSV am 21. Mai 1933 wäre ein stimmberechtigtes Mitglied sitzengeblieben!

Eine weitere Sperre gab es, um politisch untragbare Vereinsführer abzusetzen: Sie mußten vorm Gaubeauftragten des Reichssportführers bestätigt werden. Der Stempelvordruck hierfür lautet: „Satzungen und Vorstand geprüft und bedenkenfrei befunden. Wahl des Vereins­führers . . . wird bestätigt." In Punkt 10 der „Anordnungen" wird der Dietwart erwähnt. Der Dietwart bzw. das Dietwesen waren keine Erfindungen des Nationalsozialismus. Im Handbuch des gesamten Turnwesens" von 1928 steht, daß der 1889 gegründete Deutsche Turnerbund die deutsch-völkischen Bestrebungen stärker betonte und die Sorge dafür einem Mitgliede des Vorstandes, dem Dietwart, übertrug.

Das Dietwesen hatte schon lange vor dem Nationalso­zialismus eine deutlich nationale und zudem rassistische Tendenz. Folgende Zitate belegen dies (alles aus „Hand­buch des gesamten Turnwesens," 1928): „Das Dietwesen wurde bei dem Zusammenschluß der arischen Turnverbände vom Deutschen Turnerbund (1919) . . .übernommen und ausgebaut." Die Aufgaben des Dietwarts waren die Überwachung und Leitung „der völkischen Erziehung der Mitglieder durch Vermittlung völkischen Wissens aus dem Gebiete der deutschen Geschichte, der Rassenkunde, der Turngeschichte und der Staatskunde und durch Belehrung und Aufklärung in wichtigen Zeitfragen."

 

Es ist klar, daß eine solche bereits vorhandene Vor­standsposition von den Nationalsozialisten aufgegriffen und in ihrem Sinne genutzt wurde. Der Dietwart war demnach nicht nur der Stellvertreter des Vereinsvorsit­zenden, sondern zusätzlich das politisch aktive Vorstandsmitglied im Sinne nationalsozialistischer Zielsetzung.

In einer Gesamtbewertung dieser Gleichschaltung wird deutlich, daß die Nationalsozialisten die Vereine als ein wichtiges Potential ihrer Machtverfestigung und Machterhaltung ansahen. Die Maßnahmen wurden unmittelbar nach der Machtübernahme durchgesetzt, und die politische Zielsetzung wird in Punkt 6 besonders deutlich. Dort heißt es: „Eine Rede (auf der Vollversammlung) muß in den Geist der nationalen Revolution einführen und die Aufgaben für den Turnverein im Rahmen der na­tionalsozialistischen Erziehung zur Deutschen Volksge­meinschaft aufzeigen." Diese Tatbestände hatten für die Vereine einen von oben erzwungenen Verzicht auf ihre Selbstbestimmung zur Folge, sie wurden eines großen Teiles ihrer Selbständigkeit beraubt. Und weil die Schicksale aller Turn- und Sportvereine nunmehr in gleichartigen Bahnen verliefen, ist TSV-Geschichte im „Dritten Reich" auch gleichzeitig ein Stück Geschichte aller Vereine und damit ein Stück politischer Geschichte überhaupt.

 

...

Aus den statistischen Angaben ist zu entnehmen, daß sich die Erwartung eines Mitgliederzuwachses aus den Reihen des aufgelösten Sportvereins 06 nicht erfüllte. Die Mitgliederzahl des TSV ging von 1933 bis 1934 sogar um 5 Mitglieder zurück. In der Folgezeit führten der TSV ver­stärkt Werbeveranstaltungen durch, um seinen Mitglie­derbestand zu erhöhen. Am 10. 11. 1934 fand zum Beispiel ein Werbeabend mit einer Gästeriege des TV 1860 statt. In der Vorstandssitzung am 27. 9. 1934 „wird eine Aufstellung noch herbeizuholender neuer Mitglieder gemacht."

Die bedeutsamste politisch bedingte Entwicklung war jedoch der Mitgliederschwund von 1936 bis 1939. Man muß geradezu von einer personellen „Ausblutung" des Vereins sprechen: Von 1937 bis 1938 erfolgt nahezu eine Halbie­rung der Mitgliederzahlen. Eine genauere Analyse zeigt, daß ab 1937 Jugendliche bis zu 14 Jahren nicht mehr in der Vereinsstatistik erscheinen. Ab 1938 gab es keine weiblichen Mitglieder mehr, und ab 1939 waren alle Mitglieder bis zu 18 Jahren aus der Statistik verschwunden. Der Grund für das Fehlen Jugendlicher bis zu 14 Jahren war das „Gesetz über die Hitlerjugend" vom 1. Dezember 1936. In § 2 heißt es: „Die gesamte deutsche Jugend ist ... in der Hitlerjugend körperlich (!), geistig und sittlich zu erziehen." Schon vor Inkrafttreten dieses Gesetzes gab es am

28.7.1936 zwischen dem Reichsjugendführer (HJ) und dem Reichssportführer (DRL) folgende Vereinba­rung: „Der Reichsjugendührer und der Reichssportführer stimmen in der Auffassung überein, daß die gesamte körperliche, charakterliche und weltanschauliche Erziehung aller Jugendlichen bis zu 14 Jahren ausschließlich im Deutschen Jungvolk erfolgt. Aus diesem Grunde führen die Vereine des Deutschen Reichsbundes für Leibesübungen keine eigenen Jugendabteilungen für Jugendliche im Alter bis zu 14 Jahren."

Den Sportvereinen wurden demzufolge die Jugendlichen weggenommen; die sportliche Erfahrung ihrer Übungsleiter sowie die materielle Ausstattung der Vereine nahm man jedoch von seiten der HJ in Anspruch: „Der Deutsche Reichsbund für Leibesübungen stellt für den Übungsbetrieb der Hitler-Jugend, soweit möglich, seine Übungs-plätze, Übungsgeräte und für die Mitarbeit im Jungvolk geeignete Übungsleiter zur Verfügung." In der Folgezeit wurde der Zugriff der Hitlerjugend auch auf Vereinsmitglieder bis zu 18 Jahren immer stärker. Ein Schreiben der HJ-Bannführung (Bann 116, Gießen) vom 1.7.1938 an den TSV enthält Auflagen, die dem Verein von seiten der HJ hinsichtlich der 14-18jährigen gemacht wurden.

Einige dieser Auflagen seien hier zitiert:

„1. Einer Jugendabteilung eines DRL-Vereins können nur Jugendliche angehören, die Mitglieder der HJ sind. Die Abteilung führt deshalb auch den Namen: HJ-Mannschaft des Vereins X

2. Alle Nicht-HJ-Angehörigen sind umgehend aus der Jugendabteilung zu entfernen.

4. Jugendliche dürfen vor Vollendung des 18. Lebensjahres in aktiven Mannschaften weder spielen noch in aktiven Klassen starten. Die Spiel- und Startgenehmi­gung (bei Ausnahmen!) wird nur vom Bannführer erteilt.

6. Alle Bekanntmachungen, den Jugendlichensport be­treffend, erscheinen in Zukunft im Gauverordnungs­blatt unter ,Der Beauftragte für Leibeserziehung im Gebiet 13 Hessen-Nassau.'

7. Die Vereinsjugendabteilungen werden in Zukunft durch die Bannfachwarte ... betreut."

Durch diese Anordnungen wird nun auch klar, warum ab 1939 alle Jugendlichen aus der Vereinsstatistik ver­schwunden sind: Alle diese Jugendlichen mußten der HJ angehören, unterstanden somit auch auf dem sportlichen Sektor der totalen HJ-Kontrolle. Es gab nur noch insofern eine lockere Bindung an die ehemaligen Vereine, als die Dienstleistungen der Vereine in Form von Übungsplätzen, Turnhallen, Übungsleitern usw. in Anspruch genom­men wurden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit waren diese Jugendlichen von den Mitgjiederbeiträgen befreit, und sie erscheinen demzufolge nicht mehr als „normale" Mitglieder in der Vereinsstatistik

Die Vereinsjugendwarte, die den Sportbetrieb leiteten, waren nur noch der HJ verantwortlich, wie eine Postkarte der HJ-Führung des Bannes 116 vom 1.11.1938 an den Vereinsführer des TSV verdeutlicht: „Durch Rundschrei­ben des Bannes 116 vom 30. Juli wurden Sie aufgefordert, bis spätestens 1. Sept. einen der HJ verantwortlichen Ver­einsjugendwart zu melden. Da Sie trotz wiederholter Anmahnung ... dieser Meldepflicht bisher nicht nachge­kommen sind, ist die gesamte Jugendabteilung Ihres Ver­eins bis zum Eintreffen der Meldung für jeglichen Spiel- und Sportverkehr gesperrt."

Die Gestaltungsmöglichkeiten waren dem TSV bei den Jugendabteilungen somit genommen worden. Die HJ hatte das „Sagen." Letztlich bedeutete dies eine Entmündigung der Sportvereine und ihre Degradierung zu einer Hilfsorganisation der Hitlerjugend.

 

Sportliche Aktivitäten

In der Einheitssatzung von 1935 wurde das Turnen als Hauptsportart angegeben. Bereits 1939 waren die Haupt­sportarten Leichtathletik und Handball. Große nationale Erfolge wie in den zwanziger Jahren waren von 1933 bis 1945 nicht zu verzeichnen. Nach den vorhandenen Siegerurkunden waren die sportlichen Erfolge Siege auf Kreisebene (Turnkreis 11, Friedberg).

Einige seien hier genannt:

30. 6. 1935   3. Sieg der Knabenkampfgruppe I in Okarben

14. 6. 1936   1. Sieg der Knabenmannschaft II in Friedberg-Fauerbach

3./4. 7. 1937 1. Sieg beim Kreisfest in Büdesheim in der 4 x 100-m-Pendelstaffel für Jugend in 53,0 Sekunden

1938               2. Sieg beim Weidig-Bergfest in der 10 x 100-m-Pendelstaffel für Jugend

26. 6. 1938      1. Sieg der 4 x 100-m-Staffel I und 2. Sieg der 4 x 100-m-Staffel II für Jugend beim 40jährigen Stiftungsfest des TV 1898 Nieder-Rosbach

10. 7. 1938     2. Sieg bei den Kreiswettkämpfen in Bad Homburg in der 4 x 100-m-Staffel der Junioren in 50,6 Sek.

Diese kleine Auswahl ist mit Sicherheit unvoll-ständig, da sich erwähnenswerte Siegerurkunden für die Einzeldis­ziplinen wahrscheinlich in Privatbesitz befinden und damit der Darstellung entzogen sind.

Am jährlichen Feldbergfest scheint der TSV regelmäßig teilgenommen zu haben, drei noch vorhandene Unterlagen weisen dies nach:

Beim 86. Feldbergfest am 2. Juli 1939 wurde Heinrich Michel 14. Sieger mit 52 Punkten. Beim 89. Feldbergfest am 11. 7. 1943 gab es in der HJ-Klasse A (16 bis 18jährige) mit Karl Thome einen 1. Sieger (67 Punkte) und mit Helmut Langlouis einen 17. Sieger (46 Punkte). Der Meldebogen für das 90. Feldbergfest 1944 weist insgesamt 8 Meldungen von seiten des TSV auf.

Das jährliche Abtumen (eine Möglichkeit, die Vereins­meister zu bestimmen) gehörte ebenso zu den Aktivitäten wie sportliche Darbietungen bei Werbeveranstaltungen.

Als Beispiel das Programm einer Veranstaltung des TSV zugunsten des Winterhilfswerkes vom 15.3.1936:

Einmarsch der Abteilungen

Sprechchor

Ansprache des Vereinsführers

Abmarsch

 

I.   Teil

Einleitung durch die Schülerinnen unter 10 Jahren Körperschule der Handballabteilung

Reckturnen der Schüler von 10-14 Jahren

Barrenturnen der Schülerinnen von 10-14 Jahren Barrenturnen der Jugend von 14-19 Jahren Sprungübungen der Schüler und Schülerinnen unter 10 Jahren

 

II.   Teil

Einleitung durch Volkstanz der Schülerinnen Barrenturnen der Schülerinnen unter 10 Jahren Barrenturnen der Schüler von 10-14 Jahren

Pferdeturnen der Schülerinnen von 10-14 Jahren Sprungübungen der Jugend von 14-19 Jahren Pyramidenstellen der Jugend

Abschluß durch Volkstanz der Schülerinnen

(Elsässer Volkstanz)

Ein respektables sportliches Programm, aufgestellt und geleitet von Minna Hörner. Insgesamt muß festgestellt werden, daß sich der TSV trotz des Mitglieder-schwundes bemühte, sportlich zu überleben. Der Beginn des Zweiten Weltkrieges im Jahre 1939 schränkte die sportlichen Aktivitäten zusätzlich stark ein.

Die Entwicklung bis 1945

Eine lückenlose Darstellung der Vereinsgeschichte des TSV ist nicht möglich: Von September 1935 bis 1945 sind keine Protokollbücher und auch keine Einzel-protokolle mehr vorhanden. Es wurde hier versucht, aus der z.T. noch vorhandenen Korrespondenz, aus noch vorhandenen Notizen, aus Kassenbüchern usw. einige historische Geschehnisse zu rekonstruieren.

Ein Indiz für den „Grabenkrieg," den der TSV mit den verschiedenen NS-Gliederungen zu führen hatte, geht aus einem Zitat hervor (Vorstandssitzung 22. 3. 1934): „Über weitere turnerische und sportliche Tätigkeit sowie über den Spielbetrieb der älteren Jahrgänge kann noch nicht klar gesehen werden, da hier eine Verständigung der Obersten SA-Führung mit der Leitung der Deutschen Turnerschaft zu erwarten ist." Ein Beleg für die Interessenkollision zwischen SA einerseits und DT/DRL andererseits findet sich in einem Bericht des Frankfurter General-Anzeigers vom 22. 6. 1937 anläßlich einer Tagung der Bauführer und Reichsfachamtsleiter des DRL in Berlin: „Obergruppenführer Herzog, Stabsführer der Obersten SA-Führung, führte aus, daß es die Aufgabe der SA sei, körperliche Ertüchtigung zur Förderung der Wehrkraft des Deutschen Volkes zu betreiben . . . Deswegen müsse die SA Leibesübungen auf breitester Grundlage betreiben."

Hier fand sich also neben der HJ ein weiterer Konkurrent führ die Sportvereine, zumal in den SA-Kampfspielgemeinschaften „die wettkampftüchtigen SA-Sportler zusammengefaßt werden." Kein Wunder, daß sportliche Höchstleistungen in den Sportvereinen kaum noch zu verzeichnen sind. Etwas zynisch muß der Satz des genannten Obergruppenführers anmuten, wenn er weiter erklärt, „daß ein Gegensatz zwischen SA und DRL nicht bestehe ... mit dem Ziel der Zerschlagung des DRL (und damit der ihm angeschlossenen Sportvereine!)."

 

Die Handballmannschaft des TSV bei einem Spiel gegen Heilbronn im Jahre 1938

 

Wie verunsichert man im TSV war, zeigt ein Beschluß des TSV-Vorstandes vom 18. 5. 1934: „Eine Verbindung mit der SA zwecks Turnen wird nochmals zurückgestellt." In der Generalversammlung vom 6. 4. 1934 wurde ein neuer Vereinsführer gewählt: Adolf Odemer erhielt 21 von 32 Stimmen. Zu seinem Stellvertreter und Dietwart ernannte er Lehrer Bolz, zum Schriftwart Oskar Rüppel, zum Kassenwart Fritz Schwander. Im Jahre 1934 mußte der TSV einen neuen Pächter für die Turnhallengaststätte suchen. Schließlich konnte der Gaststättenbetrieb der Turnhalle am 18. 9. 1934 verpachtet werden. Der neue Pächter war Schankwirt Wilhelm Seip. Der ausscheidende Schankwirt, Philipp Spengler, schickte dem TSV eine Rechnung von 350 Mark für „eine Holzhalle, angehängt an die Turnhalle mit darunter befindlichem Keller, versehen mit einer Eisentüre, 91 Biergläser 5/20 mit Henkel, 54 Weingläser, 10 Likörgläser, 8 Kognakgläser, 5 Kognak­gläser mit Stengel, 8 Aschenbecher (Glas), 40 Gemüse­schüsseln (rund und weiß), 30 Eßplatten (oval), 1 Wasser­bank, 1 Eisenplatte vor der hinteren Türe, 3 Eisenroste für Schuhe reinigen, 1 Gläserbürste, 10 Fenster-Vorhänge."

 

Der Pachtpreis für den neuen Wirt betrug jährlich 200 Mark. Laut Pachtvertrag war der Wirt verpflichtet, „für fol­gendes selbst aufzukommen: Wassergeld, Heizung, Licht, . . . sämtliche Steuern, die den Wirtschaftsbetrieb angehen." Außerdem mußte er „kleinere Reparaturen" selbst ausführen. Der Gaststättenbetrieb scheint nur wenig Gewinn erbracht zu haben, denn knapp zwei Jahre später kündigte Wilhelm Seip den Pachtvertrag ohne Be­gründung. Ob ein neuer Pächter gefunden wurde, geht aus den Unterlagen nicht hervor.

 

In der Generalversammlung am 27. 1. 1935 gab es im Vorstand kaum Veränderungen. Der „Dietwart ... hielt noch einen Vortrag über Jahn und den deutschen Gedanken ... zum Schluß wurde der 3. Vers des Turnerliedes gesungen. Mit einem 3fachen Heil auf den Führer Adolf Hitler schloß der Vereinsführer die General-Versammlung." In der Folgezeit wurden „zur Durchführung des Wehrsportes die hierzu erforderlichen Geräte beschafft, u. a. Balken, 5-6 Meter lang, Tonnen und eine Drahtflä­che." Dies ist ein deutlicher Hinweis, daß den Sportvereinen vormilitärische Aufgaben zugemutet wurden.

Ab 1935 gab es für die Sportvereine „Einheitssatzungen" des DRL. Sie waren vorgedruckt und für alle Vereine des DRL verbindlich. Nur noch in den Paragraphen 4, 8 und 11 blieb Raum für vereinseigene Satzungstexte. Im § 2 der „Einheitssatzung" heißt es: „Der Verein bezweckt die leibliche und seelische Erziehung seiner Mitglieder im Geiste des nationalsozialistischen Volksstaates durch die planmäßige Pflege der Leibesübungen . . ." In der Vor­standssitzung des TSV vom 30. 4. 1935 wurden solche „Einheitssatzungen" ausgefüllt, unterschrieben und an den Gaubeauftragten gesandt. Wie oben erwähnt, gibt es von nun an keine Protokolle mehr. Das einzig erhaltene, kontinuierlich geführte Dokument ist das von Fritz Schwander mit großer Genauigkeit geführte Kassenbuch. Wir wissen jedoch, daß Adolf Odemer bis 1938 Vereinsführer blieb.

Die Einladung zur Generalversammlung am 8.5.1938 wurde von ihm unterschrieben. In dieser Generalversammlung wurde Wilhelm Schüler zum Vereinsführer gewählt. Sein Stellvertreter wurde Heinrich Michel. Interessant ist ein Detail in dieser Einladung. Zu Punkt „Verschiedenes" wurde mit Bleistift daruntergeschrieben: „50jähr. Jubiläum." Man hatte also ursprünglich vor, dieses Fest 1938 zu feiern. Warum dies nicht geschah, hängt vielleicht mit dem Wechsel in der Vereins­führung zusammen. Ein Jahr später, am 1. Osterfeiertag 1939 (9. 4.), wurde das 50jährige Jubiläum gefeiert.

Hier das Festprogramm der akademischen Feier:

1. Musikalische Einführung.

2. Feiergestaltung des Vereins (Dauer ca. 1 Stunde) enthaltend Begrüßung durch den Vereinsführer, Sprechchor, Lieder, Vereinsgeschichte (Wilh. Baumart), Chöre und Lieder mit Ehrung der Jubilare.

3. Musikstück „Alte Kameraden", anschließend Grußwort und Lieder der Nation.

4. Turnerische Vorführungen.

5. Gesangliche Darbietungen (Gesangverein

Heiterkeit).

6. Pause.

7. Musikstück.

8. Turnerische Vorführungen.

9. Gesangliche Darbietungen.

10. Sportliche Vorführungen

11. Musikstück.

12. Gesangliche Darbietungen.

13. Pyramiden

14. Musikstück, Marsch

 

Anschließend wird gewünscht, daß man nicht so rasch nach Hause geht.

Vier Vereinsgründer lebten zu diesem Zeitpunkt noch und wurden besonders geehrt: A. Baumart,

Fr. Baumart, Ph. Libbach und G. Pfeffer.

Die folgende Zeit wurde vom Kriegsbeginn geprägt. Zum Weihnachtsfest 1939 schickte der TSV Feldpostpakete an Mitglieder, die bei der Wehrmacht waren. In einer kleinen Notiz ist festgehalten, was sie enthielten: Gebäck, Trops (Drops), Zahnpasta und Zigaretten. Im September 1942 starb der Vereinsführer Wilhelm Schüler infolge eines Unfalles. Sein Stellvertreter Heinrich Michel führte den Verein bis zum Ende des Krieges. Das letzte „Lebenszeichen" des TSV ist eine Eintragung im Kassenbuch vom Dezember 1944, die ein Guthaben von 189,07 Mark ausweist.

Die Geschichte des TSV von 1933 bis 1945 macht deut­lich, daß das Vereinsleben weitgehend durch das politische Geschehen bestimmt wurde. Fast alle Protokolle und Unterlagen enthalten Aussagen, die nur politisch interpretiert werden können. Die nationalsozialistische Ideologie „spielte" immer mit. Die Politik reglementierte die Vereine und ließ keine eigenständige Entwicklung zu. Insofern ist der TSV nur ein Beispiel unter vielen. Er ist ein Beispiel dafür, wie selbst der Bereich privater nienschlicher Betätigung von totalitären Regimen kontrolliert, beherrscht und ausgenutzt werden kann.